Gensprechstunde und Astronautenfood

Wenn es einen vor Kummer den Hunger kappt, ist das gar nicht gut als Krebspatient. Eine der zwei Todsünden.

Also meldete ich mich im Spital, dass ich trennungsbedingt appetitlos bin, vorauf quasi Panik ausbrach und gestern brachte der Postbote mein Überlebenspack an Trinknahrung. 🚀

Ich komme gerade aus der Gen-Sprechstunde und sitze im Spitalpark. Dort wurde mein Risiko für ein Krebs-Gen eruiert. Weil eigentlich bin ich ja zu jung für Brustkrebs. Sieht man ja an den Broschüren.
Und falls ich dieses Gen hätte (wie Angelina Jolie), dann wäre auch das Risiko für Eierstockkrebs erhöht und die Chemo würde angepasst.
Gibt es keine Kostengutsprache von der Krankenkasse, könnte man den Gentest auch selbst berappen, simd ja nur 4’000.- CHF. 🤷‍♀️

Ach ja, aus gegebenen Anlässen lauf ich jetzt nur noch mit Totenkopfkopftuch rum. 🖕🏻

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Allein

Und dann ist man plötzlich allein.
Allein mit den Kindern.
Allein mit der Krankheit.

Und kein Partner in Crime mehr da. Vielleicht ein Freund.

Überraschend, auch wenn nicht total unerwartet.
Doch das Gefühl bleibt: Krebs frisst alles. Erst den Alltag, das Abenteuer, die Freiheit, dann die Liebe.

Gespräche: Zombiefamilie

Kinderübergabe. Da ich zu Hause ja „oben ohne“ rumlaufe, steh ich ohne Kopfbedeckung vor dem Haus uns spreche mit dem Papa vom Kleinen und Grossen, als ein paar Kids mit dem Fahrrad vorbei fahren.

Ich: Oh nein! Jetzt verschreck ich noch die Kinder. So nur mit Glatze.
Kleiner: Hahaha, Mami das Glatzenmonster!
Der Grosse nimmt die Arme hoch, macht den Zombie und röchelt: Chhhghhhhrrrgghh
Der Kleine nimmt die Arme hoch: Chhhgghhrrchhhhhg
Ich: Chhhrrrghhhhchhhhgg

Papa schaut irritiert vom Kleinen zum Grossen zu mir.

Neues Chemo-Schema: Angst und Erleichterung

Furchtbar nervös war ich, vor dem neuem Schema.
Einerseits hatte ich erstmals zweieinhalb Wochen Pause nach der letzten AC Gabe. So gut ging es mir also seit Beginn der Behandlung noch nie. Und so wurde mit näherrücken des neuen Chemo-Termins die Unlust, meinen Körper neu vergiften zu lassen, immer grösser. Denn so fühlte sich dieses erste Chemo-Schema jeweils an. Ich werde innerlich vergiftet.
Andererseits wurde mir gesagt, dass die neuen Medikamente sehr, sehr langsam verabreicht werden würden, ich dazwischen zwei Stunden überwacht werden müsse und ich genügend Zeit einberechnen sollte. Leider hatte ich verpasst zu fragen, was denn schlimmes passieren könne. Super Voraussetzung für einen phantasievollen Menschen auf der Chemo-Wartebank…

Leider fühle ich mich von der Bebilderung der Info-Broschüre nicht so ganz angesprochen. Warum wohl?

So bin ich am Mittwoch nach einer unruhigen, kurzen Nacht um 09:30 mit meinem neuen Skateboard ins Spital gefahren, um den obligaten Bluttest zu machen. Das Gespräch mit dem Onkologen war auf 10:00 Uhr geplant und ich rechnete mit so späterem Nachmittag, um wieder raus zu sein. Well.
Um 17:40 Uhr verliess ich das Spital.

Wie immer wurde ich sehr umsorgt, bekam ein Kissen, damit mein Infusionsarm bequem lag. Ich hatte mich mit meinem Noise-Canceler-Kopfhörer, dem Hape Kerkeling Hörbuch und Lesematerial ausgestattet. Aber die Zeit schlich doch furchtbar langsam.
Das erste Mittel eine Stunde lang, dann spülen. Das zweite Mittel anderthalb Stunden lang, dann spülen. Und obwohl mir beim letzten Mal gesagt wurde, ich dürfte in der Überwachungspause ruhig mit dem Infusionsgalgen etwas im Park spazieren gehen. ging das nicht, weil des Ruckeln des Lifts ins Erdgeschoss eine Verletzung meiner Vene hätte provozieren können und dann hätten sie für die Chemo nochmals neu stechen müssen.
Aber ich durfte auf den Balkon, der zwar schmal, aber etwa 15m lang war. Dort zog ich meine Runden und schaute in den Spitalpark.
Dann noch einmal eine Stunde für das Taxol.
Allergieschock hatte ich keinen, mein Puls war normal, Fieber bekam ich auch keins, alles gut also.
Ein paar Mal musste ich aufs Klo. Und ich habe eine Hochbegabung diesbezüglich, ich schaff es immer den Infusionsschlauch so um den Galgen zu wickeln, dass ich mich nicht auf die Kloschlüssel setzen kann und das Teil erste auswickeln muss.
Einmal wusste ich nicht, ob ich diese Infusionsmaschine, die die Einlaufgeschwindigkeit misst, vom Strom trennen darf, um aufs Klo zu gehen. Also drückte ich den Alarmknopf.
Da stürzten sie gleich zu zweit ins Zimmer.
Ich: Alles easy. Ich muss nur aufs Klos und wusste nicht, ob ich das ausstecken darf.
Sie lachten: Ja. Easy auch her. Ich helfe kurz!

Im Gegensatz zum Doxorubicin brennt Taxol nicht in den Venen. Mir wurde auch kaum übel. Müde war ich, aber das vielleicht auch von dem ganzen Tag im Spital. Insgesamt ging es mir am Abend nach der Chemo so gut, wie sonst vielleicht am Tag 6.
Am nächsten Morgen habe ich mich kurz gefragt, ob sie mir vielleicht nur NaCl verabreicht haben, so gut wie ich mich fühle. Aber da habe ich meine roten Chemobäckchen im Spiegel gesehen und das leicht aufgedunsene Gesicht.

Aber es ist wirklich kein Vergleich mit dem ersten Chemo-Schema.
Sogar im Kino war ich gestern. Das erste Mal seit Therapiebeginn hatte ich genug Energie!!!
Leider hatte ich dann in den Träumen ein furchtbar schlechtes Gewissen. Sämtliches Personal wies mich darauf hin, dass ich jetzt Kopfschmerzen habe, weil ich mir zuviel zugemutet hätte. Dabei war es wohl der Wetterumschwung, der mein Kopf zum hämmern brachte.
Aber ein schlechtes Gewissen haben, weil man am Tag nach der Chemo es schafft ins Kino zu gehen und einfach mal alles vergessen, das ist ja auch superschräg…
Es darf ja auch wieder mal etwas einfacher sein.
Nicht?

Chemotherapie

Heute keine Chemo. Weil die Stadt ist in Festlaune, da liegt auch das Spital lahm (oder die Belegschaft verkatert irgendwo….).

Dafür ein Bild, für das ich gerne eine Bildüber- oder Bildunterschrift von Euch anonymen Lesern hätte, die Ihr hier manchmal rumklickt.

PS: Zeichnen hilft (fast) immer, wenn Worte versagen und Sport nicht möglich.

Emotionshochwasser

Es war zuviel in letzter Zeit.
Notfall, Schulveranstaltungen mit Krankheitserklärungen, ein Besuch bei meinen Kollegen und meinen Schülern, die ich seit meiner Krankschreibung nicht mehr gesehen habe und dazu noch Grundsatzbeziehungsdiskussionen.

All die Reaktionen und Gefühle der Gesprächspartner, die ich ja auch aufnehme. Und auch die Komplimente, wie gut ich das mache.
Alles ist zuviel.

Ich treibe in einer Emotionssuppe von kalter zu warmer Strömung und spüre keinen Boden unter den Füssen.
Ich bräuchte Ruhe und Zeit. Eine einsame Insel, eine Hütte im Wald, von mir aus ein Erdloch. Oder zumindest einen Rettungsring, einen Leuchtturm oder eine Hand, die mich in ihr Boot zieht, damit ich kurz verschnaufen kann.
Doch nun beginnen die Sommerferien.

Die nächste Zeit für mich werden wohl die 6 Stunden Chemo nächste Woche sein.
Der erste Zyklus vom 2. Schema.

Frau Glatzi geht was trinken

Ab letzten Freitag Abend war ich  für zwei Tage permanent und penetrant gutgelaunt, einfach weil ich froh war, aus dem Spital raus zu sein. Auch wenn ich total übermüdet war.
Erst eine Nacht schlaflos wegen Kopf- und Bauchschmerzen und dann die nächste  bis zwei Uhr früh im Notfall rumliegen. Um drei bat ich auf der Station um etwas zum Schlafen, um sieben sass ich schon im Waagerollstuhl. Aber der Rest des Tages bestand dann hauptsächlich aus dösen, zeichnen, lesen, Musik hören mit gelegentlichen Störungen.

Ich hatte Glück zwar, ich bekam ein Zimmer im dritten Stock und ein Bett direkt am offenen Fenster. Aber sonst ist es im Moment so abartig heiss, dass ich mich im Spital entschloss, endlich mal ohne Kopftuch – oben ohne – zu gehen. Ist ja eh Spital. Die müssen das ab können.
Also sass ich da mit Glatze. Bekam gefühlte 573 Komplimente für meine Kopfform. Seltsam, früher waren es Komplimente für meine dicke Haarpracht. Und ich fand immer meinen Kopf zu schmal und die Stirn zu hoch. Aber da die Stirn jetzt ja eh rundherum geht, kommts wohl nicht drauf an.

Ich wollte raus an dem Abend als ich entlassen wurde, etwas trinken gehen. Ich weiss nicht, ob das sinnvoll ist, aber ich musste den Spitalgroove wegkriegen. Ich schminkte mich – schön anwenden, was ich beim Schminkkurs für Krebskranke (sehr zu empfehlen!) gelernt hatte. Dann:
schwarzesTanktop, hellbeige Dickies, Silberarmspange, Silberring und grosse Silbercreolen im Ohr. Glatze als Mode-Statement.

Ich fuhr ultravorsichtig Rad. Weil, nochmals in den Notfall einen Abend später und erklären, dass man vom Rad gekippt ist, wäre voll unsexy.

Das beste Gingerale in der Stadt und der Barkeeper der aus tiefsten Herzen ruft: „Alle Haare weg? Voll geil!“
Das war die beste Reaktion ever. Wenn die erste Assoziation nicht „Oh Schreck“, sondern „voll geil“ ist.

Natürlich war ich det Hingucker als einzige Frau Glatzi. Die Blicke voll Neugier, weniger Zweifel, ob das jetzt krank oder Style ist.
Vor allem erstaunt haben mich die vielen bewundernden Blicke. Vor allem von Frauen.
Wofür?

Liste der Topreaktionen

Hallo 🙋‍♀️ mich gibts noch.

Tatsächlich durfte ich nach einem Tag nach Hause. Das Fieber war weg, Infekt unauffindbar, Blutwerte stabil.

Eigentlich wollte ich eine Liste mit den schlimmsten Reaktionen darauf schreiben, dass ich Krebs habe.

Während des Schreibens erschien mir das plötzlich etwas unfair. Denn je nach Gegenüber macht mir sogar die Aufzählung der Krebstoten in der Familie nichts aus.

Ausserdem wurde ich gefragt, was denn die Wunschreaktion wäre. Und auch hier: Der Ton macht die Musik.

Die skurrilste Begegnung war heute eine Kollegin, die nach der Begrüssung und einem Blick auf meine Kopfbedeckung, hastig einen Smalltalksatz stammelnd, sich rückwärts von mir weg bewegte und fluchtartig davon radelte.

Ungebetene Tipps sind immer übel (siehe Tipps ungebeten: gratis und franko).

Und vor ein paar Tagen bekam ich als Reaktion zu hören: Und du machst jetzt brav alles was die Ärzte sagen?

Da wär ich auch gern einfach davon geradelt.