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Und doch fühlt es sich an, wie aufgegeben.
Ich sagte, die 9. Chemo nehm ich noch. Sie wollte Rücksprache mit meinem Onkologen.
Er meinte, es reicht. Der Tumor habe sehr gut angesprochen. Nur noch Antikörper.
Dass ich nun seit vier Tagen Knochen-/Gelenkschmerzen habe und friere liegt offenbar auch an den Blutplättchen. Pausieren macht keinen Sinn, wenn man so weit ist.
Es sollte noch Kraft bleiben für die OP und Bestrahlung.
Seit Mai pilgere ich nun erst alle 2 Wochen, dann jede Woche zur Chemo. Ich dachte, ich freue mich über das Ende. Das kam nun etwas plötzlich.
Das letzte Mal war das letzte Mal.
Morgen MRI.

Das war ein guter Traum.
Die Trauer, die Erschütterung kam erst später.
Ein sanfter Traum.
Der Tod war nicht schlimm.
Nur Stille.
All dieses Um-sich-selbst-Kreisen, Egooptimierung, Bedürfnisbehauptung, dieser Kampf um Bedeutung, alles unwichtig.
Was bleibt ist Erinnerung.
Ein Grund für den Traum war sicher die letzte Chemotherapie am Freitag.
Da ist etwas passiert.
Bis jetzt war die Chemo ein notwendiges Übel. Ja, das Gefühl den Körper zu vergiften, dass es an die Substanz geht, Kraft raubt.
Aber diesmal ging es nicht nur an die Substanz, sondern an meinen Kern.
Ich hatte das Gefühl, dass das Gift mein Ich zu zersetzen beginnt.
Es war verstörend.
Als würde nicht mehr nur mein Körper mit der Chemie geflutet, sondern mein Selbst, meine Seele – wie auch immer man das nennen möchte – wird löchrig, zerfressen.
Ich löse mich auf.
Das hat in mir den Schalter umgelegt.
Mein ganzer Körper schreit nein.
Ich war früher magersüchtig. Und dort gab es einen ähnlichen Moment. Wie bei der Chemotherapie die Nebenwirkungen, gab es bei der Magersucht ganz viele Anzeichen der Selbstzerstörung: das ewige Frieren, Essensalbträume, Schwäche, Momente der übersteigerten Klarheit, gestörte Selbstwahrnehmung, die Knochenkontrolle.
Aber da gab es diesen einen Moment, an den ich mich sehr gut erinnere.
Ich kämpfte mich die Marmortreppe in den ersten Stock der Villa hoch, in der meine Schule war. Hangelte mich am schmiedeisernen Handlauf entlang. Und plötzlich hatte ich das Gefühl, dass mein Körper Energie aus meinen Gehirn aussaugt, es angreift.
Körper frisst Hirn.
Irreversibel. Ich verschwinde.
Nicht nur körperlich.
Und am Freitag hatte ich dieses Gefühl nach der Chemotherapie.
Das hier etwas irreversibel zerstört wird.
Am Donnerstag habe ich die 9. von maximal 12 Dosen Taxol (falls die Blutwerte stimmen). Das muss ich dann mit meinem Onkologen besprechen.
Es werde häufig früher abgebrochen, wurde mir gesagt.
Kein Onkologe kann mir sagen, ob ich das Taxol neben den Antikörpern überhaupt mit Sicherheit brauche.
Keiner kann mir sagen, ob es 12 Dosen sein müssen. Es gibt keine Garantie, nur Statistik.
Es gibt keine Garantie, dass ich in einem Jahr kein Rezidiv haben werde.
Die Studien geben Leitlinien vor, aber ich muss entscheiden, was ich will.
Es ist mein Leben. Dafür trage ich die Verantwortung.
Ich muss entscheiden, was ich aushalte.
Und ich halte es nicht mehr aus.
Nach der nächsten Chemo ist sowieso ein MRI geplant. Tumorkonferenz. Das weitere Vorgehen.
Dann Operation, Bestrahlung. Dafür sollte auch noch Kraft bleiben.
Und ich habe zwei Kinder.
Und mich.
Mich möchte ich behalten.
Trotz Krebs.
Ich habe geträumt, ich sterbe.
Oder besser gesagt, ich wusste, dass ich sterben werde.
Nicht leidend, im Spital.
Ich war in einer Wohnung, hatte kinnlange, blonde Haare
und die Gewissheit, dass es zu Ende ist.
Ich habe in den Spiegel geschaut, mein Gesicht betrachtet und gedacht:
Das wars jetzt?
Mehr kommt nicht?
Schon alles vorbei?
Jetzt muss ich mich von mir verabschieden?
Ich hoffe, das nächste Mal wird es einfacher, das Leben.
(Dieses Lied will ich zum Abschied, wenn ich weg)
Drei Tage nach der Chemo kommen die Taubheitsgefühle.
Letzten Freitag bat ich darum, mit der Dosis Taxol runter zu gehen, da die Taubheitsgefühle in den Fingern und Zehen stark zugenommen haben.
Sehr irritierend finde ich dann jeweils die Frage der Onkologen: Können Sie noch Knöpfe schliessen? Können sie noch den Reissverschluss öffnen?
Ähm, Hallo? Wenn ich das nicht mehr kann, bin ich ein Pflegefall und brauche jemand, der mich anzieht. Ich würde das gerne weiterhin selbst können! Zumal, wenn die Taubheit da ist, die Wahrscheinlichkeit gegen Null läuft, dass sie wieder weggeht.
Ja, ich kann sogar NOCH meine Ohringe anziehen. Eben!
Darum Taxol 80%.
Grosser: Mami, in der Schule mussten wir unsere Eltern zeichen. Für den Elternabend.
Ich: Ok?
Grosser: Nicht böse sein. Hihi. Ich hab dich mit Glatze gemalt.
Ich: Voll ok. Stimmt ja auch. Hat wer reagiert?
Grosser: Sie meinten, ich habe Papi gezeichnet. Aber die Mädchen sagten, an den Wimpern sehe man es!
Dann am Elternabend sagte der Lehrer das heitere Rätselraten an. Er halte ein Porträt hoch, die Eltern müssten sich erkennen und wenn es stimme, dann komme als Auflösung ein Foto von Sohn oder Tochter auf die Leinwand mit ihren wünschen für die nächsten drei Jahre.
Ich 🙈. Aus dramaturgischen Gründen komme ich bestimmt an 3 oder 4 Stelle.
Und so wars dann auch.
Lehrer: Und hier? Wer erkennt sich da?
Ich: Die mit der Glatze, das bin ja dann wohl ich!! ☝🏻😂😂😂
Mein Grosser hatte mich schon vorgewarnt.
Und alle Eltern so: 😐😐😬😐😐😳😐😐😐😐😬😐😐😳😐😐😐😬😐
Super-Comic-Mami-Portät!
Gut gemacht Grosser: Top!!! 😁🙌🏻

Am Ende der Krebs- Gesprächsrunde.
Sie: So, zum Schluss zieht jeder eine Karte. Wer will, das einmal tauschen.
Keine Angst! Es sind keine Tarot-Karten.
Ich denke, gut, den Tod kann ich also nicht ziehen… 😅
Ich: Ah. Danke. Ich tausche nicht.

Heute auf dem Spaziergang war die Ähnlichkeit frappant.
Leider konnte ich kein Doppelselfie machen. Aber das Lama/Alpaka hatte den genau gleichen Flaum auf dem Kopf wie ich.
Das quittierten auch meine Mitspaziergänger lachend, als ich mir das Tuch mit den Worten vom Kopf zog: Wir haben die gleiche Frisur!

Gestern habe ich im Freibad zum ersten Mal nach zwei Monaten den Wind im Haar gespürt!!!!
Also eigentlich ein Kitzeln über den Flaum… 😬