Ich bin in Jackson Pollock Stimmung.
Möchte gern Farbbeutel schmeissen.
Einfach nicht auf Leinwände.
🤬
Monat: Oktober 2019
Bild: Operation und Das grosse Warten
Natürlich weiter warten.
Diese Krankheit besteht ja hauptsächlich aus warten.
Die Pathologie ist noch nicht fertig.
Also eine Woche warten auf das nächste Tumorboard.
Dann feiere ich halt meinen Geburtstag, ohne zu wissen, wies weitergeht.
Wobei…
Weiter gehts immer mit warten. 🐌
Dafür noch ein Bild von meinem Krankenhausaufenthalt.

Leben umkrempeln mit Krebskrake
Wenn nicht jetzt, wann dann.
Der Krebs als Freibrief zur Neuerfindung seiner selbst?
Will ich das?
Muss ich das?
Muss ich das wollen?
Was möchte ich von meinem Leben vorher zurück, was behalten, was kann weg?
Ich weiss es nicht.
Einzig, dass ich mehr Einfachheit will. Alles Komplizierte, Stress produzierende darf weg.
Ich will nicht mehr so viel Arbeiten, kann es wahrscheinlich gar nicht mehr. Ich möchte nicht mehr jeden Tag um 05:30 Uhr aufstehen und durch den Tag hecheln: Kinder wecken, Arbeit, Sport, Arbeit, Einkaufen, Kinder holen, Kochen, Haushalt und dann nach 15h-non-stop-Gerenne endlich Feierabend.
Ich möchte mich nicht mehr in meiner Stärke beweisen müssen. Dieses Alles-gebacken-kriegen ist fatal.
Ich will zuverlässige Partner, mehr Luft für mich und meine Träume.
Das Problem mit dem Umkrempeln ist, solange die Krebstherapie läuft, bin ich in der Medizinmangel.
Ich bin entweder Krebspatient oder Krebskranke, immer in den Fängen der Krebskrake.
Nie nur Tinkakartinka.
Es gibt keine Arbeitskollegen, wenig Freunde, kaum Normalität, die mir ein Ich fern der Krankheit spiegeln. Die Krake sitzt immer mit am Tisch.
Habe ich mich verändert durch die Krankheit? Von mir entfernt? Oder bin ich mir näher gekommen.
Wer bin ich, ist die Krake mal weg.
Wer könnte ich nun sein, was will ich.
Alles Fragen, in deren Strudel ich mich um mich selbst drehe. Ich tanze mit der Krake im Kreis.
Kann mich aber kaum im Leben ausprobieren.
Irgendwie alles
unbeantwortbar mittendrin.
Und nachher, soll ich einfach wieder funktionieren?
In der Schweiz ist keine Krebs-Reha vorgesehen. (In der Schweiz arbeitet man ja auch bis zum Geburtstermin als Mutter, kann nachher 16 Wochen pausieren und Stillen, bevor man wieder einsteigt. Der Papa kriegt zwei Tage Vaterschaftsurlaub.)
Weil Arbeit definiert uns.
Zeit, mit allem klarzukommen ist nicht vorgesehen im Gesundheitssystem.
Und genau das wünsche ich mir. Die Krake werd ich wohl noch nicht so schnell vollständig los. Aber wenn sie nicht mehr dauernd mit mir am Tisch, an mir klebt, im Hirn sitzt, dann möchte ich flüchten, weg, um mich selbst (wieder) zu finden. Mitten im Leben.
Lamaschur
Wenn man sich schon wieder sowas wie eine Frisur schneiden kann.

Und sonst wartet, was das Tumorboard nach dem endgültigen Befund der Pathologie beschliesst.
Pinkelwettbewerb
Nur soviel: Ich pinkle blau. Das liegt am Farbstoff, der mir zur besseren Lymphknotenlokalisation in die Brust gespritzt wurde.
Beim Blick auf den Katherterschlauch dachte ich kurz: Jetzt weiss ich, wie Gat*rade hergestellt wird…
Der Pfleger leert die Katheterbeutel von mir und einer Mitpatientin (mit der ich bisher kaum zwei Worte gewechselt hatte). Dann hält er den blau gefüllten Messbecher hoch ins Licht.
Ich: Und?
Er: 1,2 Liter
Ich: Ganz schön viel, nicht?
Er hält den Messbecher mit dem gelben Inhalt hoch, schaut zu mir und schüttelt den Kopf: Sie haben verloren!
Mitpatientin aus dem off: Ich habe gewonnen?
Ich: Mengenmässig ja. Ästhetisch ich.
Mitpatientin: Stimmt. Mal schauen wer morgen gewinnt.
Ich: Sie kriegen mehr Infusionen. Das gilt nicht.
Mitpatientin: Ich nehm noch einen Schluck Wasser. Bin grad so durstig.
Ich: Ich auch!
Ausgebüxt
Ich war hochgradig gestresst, als ich das Spitalaufgebot für 8:00 Uhr bekam. Erst hiess es noch Nachmittag. Und nun so früh, nur wegen dem radioaktiven Zeug? Dann einen ganzen Tag warten und erst am nächsten Tag die OP?
Als ich fragte, ob ich nicht nach Hause dürfe zwischendurch, hiess es, nein, versicherungstechnisch. Geht nicht.
De facto hatte ich gestern meinen ersten Termin um 9:00 Uhr, nachdem ich mein Zimmer bezogen hatte. Und dann ging es nahtlos bis 17:00 Uhr weiter.
- Besprechung NUK
- Radiologie (Applikation ROLL)
- NUK (Einzeichnen ROLL)
- NUK (Applikation Sentinel)
- Mittagessen
- NUK (Einzeichnen Sentinel)
- Anästhesie (Aufklärung)
- Assistenzärztin (OP-Aufklärung)
- Breast Care Nurse (oh, ein Top 😍)
- Psycho-Onkologin
- Unter-Assistenzärztin (Checkup)
- Operateurin/ Operatrice (Schnittverlauf/letzte Fragen)
Das war viel. Der schönste Herbsttag, doch nun kam Wind auf. Ich musste raus. In den Spitalpark darf ich. Müsste mich nur abmelden, sagten sie.
Also meldete ich mich auf dem Stationsbüro ab, ging auf mein Zimmer, schnappte Skateboard und Helm und ab nach draussen.
Und so drehte ich meine Runden durch den Spitalpark. Die Security begrüsste mich bei jedem Überholmanöver meinerseits breiter grinsend. Ich hatte so einen Spass, dass ich das offenbar ausstrahlte und von allen angelacht wurde (Bis auf ein paar Irritierte). Nach gut 45 Minuten war ich total verschwitzt und unglaublich glücklich wieder auf Station. 🤟🏻
Das war aktive Operationsvorbereitung #1
#2 War die Packung Kekse, die ich um exakt 23:45 Uhr (danke innere Uhr fürs wecken 🙏🏻) leer gegessen habe. Ab Mitternacht durfte ich nämlich nichts mehr essen.
😊
Bin ich froh, ist die OP vorbei und hab ich anstatt Schrumpfbrust, bloss ne Schlumpfbrust!
(Farbe Markierungsfarbstoff)
Back
Wortfindung noch gestört, deshalb:
💉 💊 🔪 🦀 ✅ 😅
🤪 🛌
🔬?
⏳
I‘m blue, aber mit Braue
Ich: Darf ich mit Augenbrauen kommen?
Ärztin: Wir haben öfters geschminkte zur Operation. Nur lieber kein Lippenstift.
Ich: Wegen dem Intubieren? Ja, das schmiert. Nein es geht mir nur um die Augenbrauen, ohne seh ich schlimm aus. – Also nicht, dass ich was sehen würde…
Ärztin: Ich werde ihnen auch noch einen Farbstoff spritzen, zur Kennzeichnung der Lymphknoten. Sie müssen ihren Besuchern sagen, dass sie dann blau sind. Damit sie nicht erschrecken.
Ich: Blau? Im Gesicht?
Ärztin: Ja und die Augen. Das hält 24h.
Ich: 😳 Wenigstens Augenbrauen hab ich dann!
Der Soundtrack zur OP in einer Dreiviertelstunde: Hier klicken!
Nuklearmedizin
Kurz NUK.

Also eigentlich wäre es ja spannend, wäre es nicht Krebs.
Da wurde mir heute schwach radioaktives Eiweiss in das zu operierende Gewebe gespritzt. Ich solle mir keine Sorge machen, das wandere nicht im Körper rum, das klebe quasi. Und dürfe auch bei Kindern verwendet werden!
Aha.
Trotzdem musste ich einen Aufklärungsbogen unterschreiben, dass ich mit dem Off-label-use der radioaktiven Eiweisse einverstanden bin.
Weiter gings von der Radiologie zur Nuklearmedizin zurück und unter den Gammastrahlen-Fotoapparat. 5-Minuten still liegen für ein hochauflösendes Bild.
Dann warten.
Ich: Darf ich mich anziehen?
Sie: Jetzt stressen Sie nicht so. Wir sind noch nicht fertig.
Ich: Ich stresse nicht. Ich friere!!!
Da bekam ich einen Morgenmantel.
Und ein Heizkissen.
Und eine Decke.
Und kaum hatte ich warm kam der Nukleardoktor mit dem Geigerzähler oder Gammadetektor und verkündete stolz: Das Gerät dort macht Bilder. Und dieses Gerät hier, das macht Musik!!! – Fast ein wenig wie Star Wars.
Er piepste meine Brust ab und nahm einen Marker.
So und jetzt noch die Zielscheibe aufmalen.
😂 Ich kriege immer die Komiker.
Es klang allerdings mehr nach Raumpatrouille Orion oder einem von einem Verrückten gespieltes Theremin, nicht nach Star Wars.
Und dann wurde mir doch noch radioaktive Wanderflüssigkeit gespritzt. Für den Sentinel, den Wächter-Lymphknoten.
Der filtert das dann raus und strahlt auch.
Mein Grosser findet das grad auch mindestens so spannend, wie das Quantenphysik-Heft, das ich ihm am Kiosk gekauft habe als Dank, dass er mir mein 🛹 vorbei brachte.
(Über schwarze Materie wisse er schon genug, das wollte er nicht)
tbc