Von Mutanten und Kanülen

Ich hatte ja ein Rendez-Vous mit meinem Onkologen und meiner Schwester, wegen der genetischen Testung.

Er warnte uns vor, dass das ganze mehrere Wochen dauern könnte, weil die Krankenkasse erst bewilligen müsse.

Netterweise erfuhr ich auch, dass ich eventuell doch nicht postmenopausal bin und bekam zum Abschied eine Riesenkanüle mit einem Zoladex-Depot in den Bauch gerammt.

Nach sechs Tagen hatte ich schon die Kostengutsprache! Noch nie ging das so schnell.

Bei meiner Schwester wurde die Testung abgelehnt. Also nochmal zum Verständnis: Es gibt bei Brust- und Bauchspeicheldrüsenkrebs einen möglichen Zusammenhang mit einer BRCA2-Mutation. Aber nur die Brustkrebspatientin kriegt den Gentest? Warum? Weil Bauchspeicheldrüsenkrebs meist erst im Stadium IV entdeckt wird und die Leute eh nach ein paar Monaten tot sind? 🫣 Und im seltenen Fall wo die Patientin im Stadium I ist? R0, M0, V0, N0, alles null und kurativ? 🤷‍♀️

Anyway. Zoladex killte meine Libido, meine Lebensfreude, meinen Appetit und meinen Schlaf. Worauf ich mit dem Onkologen aushandelte, wir glauben jetzt für den nächsten Monat den beiden Werten, die für postmenopausal sprechen und lassen meinen Bauch in Ruhe und mich mein Leben geniessen.

Denn echt keine Lust, mir eventuell Lebenszeit zu erkaufen, wenn ich mich dann wie ein welkes Herbstblatt fühle. Auf dem nassen Asphalt. Kurz bevor ein Traktor auf dem Rückweg vom Güllen über mich wegrollt.

Und das Gute noch zum Schluss: Ich bin kein Mutant!

Das heisst, keine Gen-Aufgälligkeit gefunden, keine medizinischen Interventionen, Operationen müssen ins Auge gefasst werden. Meine Brüste und Eierstöcke bleiben vorerst bei mir.

Juhuuu! 🥳🥳

Vor 2 Jahren

Heute vor zwei Jahren wurde ich operiert. Und wären nicht die unseeligen Erinnerungsfunktionen von Apps, die einem ein Foto auf den Bildschirm laden, hätte ich das Datum nicht auf dem Schirm gehabt.

Vor zwei Jahren war ich auch an einem Klassentreffen, haarlos. Die Organisatorin – deren Mutter an Brustkrebs verstorben war – freute sich enorm, dass ich trotz Glatze kam. Der Rest war bestürzt, betroffen, irritiert, beschämt, interessiert und beschwichtigend. An jenem Treffen wurde beschlossen, jedes Jahr einen freiwilligen Stammtisch stattfinden zu lassen und sicher nicht mehr zehn Jahre zu warten. Dann kam Corona und in diesem Jahr wars soweit: 3G in der Dorfkneipe.

Vergleichsfoto mit Dorfkneipe

Als ich gestern – etwas zu spät – den Raum betrat, wo alle schon am langen Tisch aufgereiht sassen, ging ein erleichtertes Raunen durch die Runde. Das war fast körperlich spürbar. Eine Gruppe, mit der ich nur ein Jahr zur Schule ging, nicht mal gross vernetzt war… “Heute komme ich mit Haaren!” Begrüsste ich alle. Lachen. Aufatmen. Weiterquatschen.

Später dann einzelne Stimmen. “Du bist die erste, die ich kenne, die wirklich schlimm krank war.” – “Es war so ein Schock das letzte Mal!” – “Man sieht es dir gar nicht an!!? Wie wenn nix gewesen wäre!” – “Aber es geht dir gut? Ist alles gut?”

So weit so gut.

Natürlich kam das Gespräch auf Corona. Gut waren keine Gesundbeter am Tisch – wären auch nicht rein gekommen, ohne Zertifikat. Aber dann wird manchmal so von der Einschränkung und dem Verzicht gesprochen. Und gewisse Gespräche kriegen Schräglage, wenn jemand den Lockdown und die Einschränkungen, die Angst vor Corona mit der Situation eines Krebspatienten vergleicht: Wir alle hatten Angst. Wir alle haben verzichtet.

Das Wir ist der Unterschied. Die Pandemie trifft die ganze Gesellschaft – auch wenn in unterschiedlichem Ausmass. Alle Zusammen sind betroffen, haben/hatten Angst vor der Krankheit da draussen. Zusammen durch die Pandemie (- auch wenn es ein paar Extremistengruppen mit Hang zu Verschwörungstherorien gibt). Wir gegen die Gefahr da draussen.

Krebs ist einsam. Krebs macht einsam. Da ist keine Gefahr draussen, vor der man sich schützen kann. Die einem im besten Fall als Gesellschaft näher zusammenrücken lässt. Die Krankheit war in mir, teil von mir. Natürlich stehen einem mit Glück nahe Menschen bei. Hilflos oft. Und je hilfloser man selbst als Patient ist, desto mehr tragen sie. Sie stehen bei. Stehen bei einem, daneben. Nicht drin. Da steht man allein.

Da gibt es nichts zu Vergleichen. Und beides parallel mag ich mir gar nicht vorstellen. Das Gejammere von Gesunden, die nicht ins Kino oder in die Ferien können, wenn man selber oder eine nahestehende Person in der Akuttherapie und ums über- oder weiterleben kämpft…🙈🙈🙈

Man beachte die gesunde Gesichtsfarbe. Die war am Klassentreffen 2019 aber nicht so arg!

Das Zombiefoto poppte heute im Spital auf: haarlos, blau-bleich vom Markierungsfarbstoff für den Sentinel und mit tiefen Augenringen.

Ich besuchte meine Schwester, die letzten Montag wieder ins Spital musste. Sie sah zum Glück um einiges gesünder aus!! Sie wurde erneut operiert, da sich die Stents verschoben hatten. Die zusätzliche Biopsie sollte nur eine Vorsichtsmassnahme sein – ich hoffe es.

Für einmal ein anderes Spital in einer anderen Stadt (dat musste sein!)

Abwarten

Teetrinken und weiter Aromatasehemmer nehmen, meint Onko2. Eine Wiederbelebung der Ovarien nach nur 2 Wochen Aromatasehemmer wäre erstaunlich. Es könne sich auch um eine Abbruchblutung des sich unter Tamoxifen aufgebauten Endometriums handeln.

Blut abgenommen, Hormonstatus wird festgestellt. Mal schauen, was meine Fortpflanzungsorgane die nächsten Monate machen und bei Überraschungen soll ich mich melden.

Hmm. Musste den nächsten Termin auf Anfang Oktober legen, da ich keine freien Morgen mehr habe. Er meinte sowieso, nächste Kontrolle in 2-3 Monaten. Ich nehme an, er meldet sich, falls die Werte im Blut auffällig sind.

Ausserdem habe ich eh noch Kontrollen bei meiner Gynäkologin, die kann mir die Ovarien nochmals durchleuchten. Letztes Mal meinte sie: Keine Aktivität.

Und ein Kompliment für meinen Killercake (siehe Zweitblog) kriegte ich auch noch. Die blutabzapfende MPA freute sich mit mir. 🙂

So it goes…

Zu schön….

um wahr zu sein.

Noch habe ich keine Antwort, von Onko2, also keine Gewissheit. Nur meine bescheidene Theorie.

Ich vertrage den Aromatasehemmer super! Fühle mich so gut, wie seit zwei Jahren nicht mehr – auch in meinem Körper. Fast schon euphorisch segelte ich durch die letzten Wochen. Endlich alles gut, alle Kampfzonen befriedet. Ich fühlte mich sogar wieder wie ich, wie eine Frau und nicht wie ein ausgetrockneter Keks.

Gestern der Dämpfer, heute Frustration, Enttäuschung und Verzweiflung. Ich habe meine Regel bekommen.

Meine Theorie: Aromatasehemmer stimulieren die Ovarien, so sie noch nicht ganz hops sind. Werden deshalb auch bei Kinderwunsch eingesetzt. Meine waren noch nicht hops. Bloss eine temporäre Amenorrhö. Anstatt die Hormone auszuschalten, wurden sie gepusht, Darum wohl auch mein Wohlbefinden. Darum fühlte ich mich wieder wie ich. War echt schön das Leben so. Leute, geniesst es!

Es ist weit mehr als Frustration. Ich bin sauwütend! Weil es nicht nur ein weiterer Rückschlag ist, sondern ich nun weiss: So würde ich mich fühlen, ohne Kackkrebs. Mit einem Zyklus, mit Hormonen. Keine juckend-trockene Haut, sogar sexy fühle ich mich. Und dieses Wohlbefinden muss mir nun wieder weggenommen werden. Damit ich evt. länger überlebe. Was für eine verdammte Scheisse! Kann nicht mal einfach gut sein? Etwas einfach gut gehen? Ich meine, gibt ja Frauen, die nehmen die Antihormonmedis, schwitzen ein wenig, sind etwas müde und fertig. Ich bin nun wirklich nicht so ein Arschloch, dass ich nicht mal ne Pause verdient hätte. Mann!

Ach, ich mag nicht mehr. Nun werd ich mich, falls ich recht habe, wohl entscheiden müssen, wann ich die Spritze möchte. Direkt zum Arbeitsbeginn an der neuen Arbeitsstelle. Depotspritze mit Potenzial für 4 Wochen Depressionen. Genau so wollte ich durchstarten im neuen Schuljahr… 🤮 Oder die zwei Wochen Ferien ohne meine Jungs, mit der Option Klippensprung in den Suizid. Wäre ja noch romantisch: Exitus in Italien.

Oder ich könnte einfach nix nehmen und warten, ob die Metastasen kommen. Und erst dann: Exitus von der Klippe.

Wollte ja schon immer ins Meer gestreut werden. So hätten die Fische auch noch was davon.

Fuck!

Fuck!

Fuck!

Neues Spiel – Neues Glück

Hurra, ich bin postmenopausal!! 🥂🍾

Hätte ja nie, gedacht, dass ich das mal sage. Wenn ich in meinem Alter schon da angekommen bin. Aber was soll man sagen, nach der Ehrenrunde und so 27 Chemozyklen, oder wie viele es auch waren…

Warum ich mich freue, versuche in nun mal in einer kleinen Zusammenfassung zu erklären. Da nun mein Medizinstudium, Schwerpunkt Onkologie eher praktisch, denn theoretisch war, behaftet mich nicht auf den Inhalt.

Also, Brustkrebs ist ja nicht gleicht Brustkrebs. Tripple Negativ reagiert nur auf Chemo und Bestrahlung. Brustkrebs kann aber auch Her2 positiv sein, dann bekommt man zusätzlich Antikörper, für ein ganzes Jahr. Früher war die Prognose miserabel, aber seit es die zielgerichteten Medikamente gibt, ist sie eher besser, als bei Her2 negativ. Und dann kann der Tumor noch auf Hormone reagieren, Progesteron und Östrogen. Meiner ist Triple Positiv. Er hat sowohl für beide Hormone, als auch für Her2 Rezeptoren. Die Mehrzahl der Mammakarzinome ist PR und ER positiv. Das heisst, die Hormone „füttern“ den Tumor, regen ihn also zum wachsen an. Je mehr dieser Hormone eine Frau hat, desto grösser ist das Risiko einer Frau für ein Mammakarzinom: keine Kinder, späte Schwangerschaften, frühe Periode, nicht Stillen oder auch einfach das Alter.

Da meiner stark hormonrezeptorpositiv ist, sollten bei mir diese Hormone für fünf Jahre unterdrückt werden, um meine Prognose zu verbessern. Garantie gibt es keine, da Triple Negativer Brustkrebs eher früher metastasiert, aber hormonrezeptor positiver eher später. Kann auch nach den fünf Jahren noch kommen, trotz Antihormontherapie. Der Saucheib streut nämlich nicht nur über die Lymphe, sondern auch über das Blut. Also sind auch freie Lymphknoten, zwar eher gut, aber keine Garantie. Also AHT (Antihormontherapie) um die Prognose zu verbessern.

Prämenopausal ist das Mittel der Wahl Tamoxifen. Nebenwirkungen häufig so Wechseljahrbeschwerden, wird von den meisten gut vertragen, mich machte es schwer depressiv. Es erhöht auch das Risiko für Endometriumkarzinome, Thrombosen, Schlaganfall.
Tamoxifen (also ein Umbauprodukt davon) besetzt die Östrogenrezeptoren, damit das Hormon dort nicht mehr andocken kann. Wurde in den 60er Jahren eigentlich als Verhütungsmittel entwickelt, nützte aber als solches nicht.

Postmenopausal werden lieber Aromatasehemmer verschrieben. Nebenwirkungen hier auch Wechseljahrbeschwerden, aber eher Gelenk- und Muskelschmerzen und die Osteoperosegefahr steigt. Eine Freundin von mir musste genau darum auf Tamoxifen wechseln. Wenn sie nicht zwei Stunden pro Tag spazieren ging, hatte sie Dauergelenkschmerzen.
Aromatasehemmer besetzen keine Rezeptoren, sondern unterdrücken die Östrogenherstellung. Ist man nun noch nicht in der Menopause, dreht die Hypophyse durch und regt die Eierstöcke dazu an, vermehrt Östrogen herzustellen, was dann natürlich weitere Probleme nach sich zieht. Darum müssten dann entweder die Eierstöcke entfernt oder mittels einer Einmonats- oder Dreimonatsspritze ausgeschaltet werden.

Kurz: Antihormontherpie ist immer Scheisse und die Nebenwirkungen werden von den Ärzten häufig bagatellisiert. Frauenhormone halt. Aber es gibt auch die Frauen, die alles gut vertragen.

Ich reagierte auf Tamoxifen stark depressiv, suizidal. Alle Medikamente der Antihormontherapie können Depressionen auslösen, deshalb riet mein erster Onkodoc auch von einem Versuch mit Aromatasehemmer ab. Eine Tablette kann ich einfach absetzen, eine Depospritze wirkt einen Monat lang. Und evt. einen ganzen Monat lang so suizidal, das wäre dann schon schampar blöd.
Deshalb meine Freude über die Wechseljahre: Ich brauch keine Spritze mehr!

Morgen beginne ich mit dem Aromatasehemmer und der Begleitmedikation zum Schutz meiner Knochen. Im Juli wird dann noch eine Knochendichtemessung meinen Ist-Status bestimmen.

Drückt mir die Daumen!

Zurück auf Feld 63

Die Stimmung ist besser, das ist toll! Aber die doofe Müdigkeit. Deswegen wollte ich mich ja impfen lassen, weil kaum aus der Krebsfatigue raus, nun Covidschlappheit fühlt sich an, wie im „Leiterli-Spiel“ ein paar Reihen runter zu rutschen…

Gestern war ich joggen, den im Alltag tut mir meine Lunge nicht mehr weh und es hiess, dann dürfte ich wieder Sport machen. Schlappe Muskeln habe ich sowieso. Tja, ich werde mich wohl noch etwas gedulden müssen. Denn beim Laufen merkte ich – oh hallo Lunge – da steht mir noch nicht das ganze Volumen zur Verfügung. Da kommt wieder der Hustenreiz. 🤷‍♀️

Aber da habe ich ja nun Übung, im Geduld haben und vorsichtig aufbauen. Immerhin, ich war LAUFEN!! 💪🏻💪🏻

1 Jahr NED!!! 🥳🥳🥳

Gestern Jahreskontrolle, das erste MRI nach Beendigung der Chemo. Da ich am Dienstag einen unglaublich strengen Tag hatte und eine miserable Nacht auf Mittwoch, trieb ich gestern mehr so in einem trüben Fatigue-Nebel vor mich hin.

Die Nacht war eine Katastrophe, voller skurriler Träume, bei denen ich im Schlaf gedacht habe: Was soll der Scheiss? Wann ist die Nacht endlich vorbei und läutet der Wecker?

Seltsamerweise konnte ich mich nicht mal im Wartezimmer geistig auf das MRI und mögliche Flashbacks vorbereiten. Nach der Anmeldung kriegte ich eine metallfreie Maske und durfte mir schon das blaue Spitalkaratekleidchen anziehen.

Blaues Karate-Kostüm mit Socken

Zugang gelegt, mich auf der Liege platziert und Radio gehört. Aufgestanden, fast umgekippt, mich hingesetzt. Zugang ziehen und mit einem Abdruck von der MRI-Liege auf der Stirn Nervennahrung gekauft.

Nervennahrung

Den Rest des Tages verbrachte ich praktisch unter der Bettdecke.

Heute sah ich den verpassten Anruf meiner Ärztin. Vor einem Jahr musste ich ganze zehn Tage warten!! Als ich zurück rief, teilte mir die medizinische Praxisassistentin mit: Alles gut! Kein Herd in Sicht!

Ich bin ihr quasi durchs Telefon um den Hals gefallen! Dann hab ich mir selbst gratuliert:

Gratulationsküchlein

Und mir die richtige, exorbitant teure Torte, auf die ich schon ein Jahr hoffe, auch gleich bestellt!

Und dann wusste ich nicht, ob ich heulen oder lachen soll. Oder beides zusammen.

Aha…

Ich hätte eine mittelschwere Depression, wenn nicht eine schwere, hiess es. Ich fragte, wie denn, ich stehe ja noch jeden Tag auf. Ich mache ja alles, was zu machen ist. Wie soll man den wissen, ob das jetzt die Fatigue, die Antihormone oder eine Depression sei?
Ich sei hochfunktional, hiess es. Und ich hätte mir soviele Strategien angeeignet, dass ich auch so meinen Alltag meistere. Ja, mag sein. Schon als Kind funktionierte ich und niemand merkte, was zu Hause so ablief.

Dieses Wochenende sind meine Kinder bei Papa.
Es ist ernüchternd. Um nicht zu sagen erschreckend…
Ich habe es kaum aus dem Bett raus geschafft. Musste mich zum Essen zwingen. Lag vorzugsweise an die Decke starrend im Bett oder heulend – mich als menschlichen Abfall bezichtigend – unter der Bettdecke.
Ok. Ich habe es verstanden. Offensichtlich habe ich eine Depression.
Immerhin weiss ich, wenn ich meine Antihormone nicht nehme, geht es mir schon besser: Scheiss-Sterbe-Bingo! 🙈


Auf den Termin zur Zweitmeinung bezüglich der Erhaltungstherapie warte ich noch.
Dass ich gestern noch Material von meinen Arbeitsplatz abholen musste, half auch nicht gerade. Meine Namensschilder sind schon verschwunden, obwohl ich noch angestellt wäre, theoretisch.
Ich möchte nicht weiter darauf eingehen.
Nur – es ist nicht gerade förderlich für den Genesungsprozess, wenn man als (noch) nicht funktionierende Mitarbeiterin abgesägt wird.
Hinzu kommt, dass es meinem Kleinen nicht gut geht. Ob eher psychisch oder physisch, wir klären ab. Bisher habe ich immer gesagt: Hauptsache, ich und meine Jungs haben es gut! Ich würde sonst zusammen brechen!
Inzwischen hat mein Grosser seine Asperger-Diagnose. Und mein Kleiner…. wir werden sehen.
Und jetzt?

Heute – ohne Antihormone – gings natürlich schon viiiiiiel besser. 💪🏻💪🏻 Dafür ist mein Kleiner jetzt erst mal in Quarantäne, da ein Corona-Mutant in der Klasse lokalisiert wurde. Also diese Woche für alle schulfrei.

Morgen gehts zum Test. Und dann. Wer weiss. Nächste Episode in der südamerikanischen Soap, die sich mein Leben nennt…. 🥳

Krieg und rosa Zuckerguss

Spannend wie ein Krimi. Einmal durch die ganze Geschichte von der ersten Erwähnung der Krankheit bis zu den zielgerichteten Therapien im neuen Jahrtausend.

Ernüchternd, wie viele Behandlungsoptionen per Zufall entdeckt wurden. Try and Error am lebenden Objekt. Sei es mittels radikaler Mastektomie (Brust weg, Brustmuskel weg, Brustbein weg, alle Lymphknoten weg) oder in den 80ern mit dem Motto „Möglichst viel Chemie reinpumpen.“ Um Krebs zu besiegen, müsse man den Kranken halt an den Rand des Todes bringen.

Beeindruckend, was von den Vorstellungen noch heute rumgeistert. Von der schwarzen Galle, dem Patienten, der selber Schuld an der Erkrankung ist. Oder die ganze Kriegsmetaphorik, die ursprünglich von Lobbyisten in Amerika genutzt wurde, die nach der Mondlandung (alles ist möglich, auch Heilung bei Krebs), Forschungsgelder auftreiben wollten. Damals war es aber der Kampf der Forscher und Ärzte gegen den Krebs. Und irgendwann hat sich das verschoben. Heute kämpft der Patient gegen den Krebs. Oder verliert den Kampf gegen ihn.
Warum sagt keiner, die Onkologen, Chirurgen, Radiologen haben den Kampf verloren? Wann geschah die Schuldverschiebung?

Mir gefiel die Kampfrethorik nie. Obwohl auch ich im Kampsaumodus war während der Akuttherapie. Da hat nicht viel Trauer oder Verzweiflung platz. Es gibt kein Innehalten, weil es von Termin zu Termin, von Behandlung zu Behandlung geht.
Und nachher ist da diese Ratlosigkeit: Wer bin ich denn jetzt? Was kann ich noch? Was will ich? Und kommt er zurück oder bleibe ich verschont?

Und auch ich überlege mir immer, soll ich nun einen so deprimierenden Eintrag (wie gestern) verfassen? Soll ich ihn etwas abschwächen und besser verdaubar machen? Weil ich hab den Krebs ja „besiegt“. Hurra und Traraa!
All die Yoga-Meditations-Inspirations-Instafrauen machen mich misstrauisch. Rosazuckerguss ist auch ein Verdrängungsmechanismus. Und doch möcht ich manchmal auch rosa Zuckerguss drauftun!

Aber Krebs ist halt nicht einfach weg. Der kommt nicht und geht wieder. Der bleibt irgendwo, als Thema, Nebenwirkung, Erschöpfung, Unfruchtbarkeit. Manchmal tritt er in den Hintergrund und klopft erst bei der Dreimonatskontrolle an: Hallo? Vergiss mich nicht.
Es ist ein neues Leben. Kein schlechtes, aber im Moment ein kompliziertes.

Nach der Lektüre dieses Buches bin ich einfach unheimlich froh, heute und hier zu leben.