Gespräche: Mami, der Hauself

Kleiner: Also Mami, du siehst ein wenig aus wie Dobby.
(Er meint den Hauself aus Harry Potter….)
Ich: 😐 Oooookaay???
Kleiner: Also mit kürzerer Nase.
Ich: Na wenigstens!
Kleiner: Und kleinere Ohren hast du!
Ich: Und sonst?
Kleiner: Und ganz grosse Glotzaugen müsstest du noch machen! Sooo…
(Er reisst sich mit dem Fingern die Augen auf)
Ich: Also meinst du hoffentlich nur die Glatze!
Kleiner: Schau Mami! Soooo!

Punkt, Punkt, Komma, Strich…

fertig ist das Mondgesicht:
Frauen, schminkt euch!

Kürzlich fragte mein Kleiner: Mami, was ist das Blaue unter deinen Augen?
Ich: Augenringe?
Kleiner: Du siehst so … aus!

Er machte ein Gesicht wie ein Mops der in eine Zitrone gebissen hatte.

Ich: He! Ich bin einfach noch nicht geschminkt und hab kaum geschlafen….

Immer wieder höre ich: Aber deine Augenbrauen hast du ja noch. Also quasi zum Trösten.
Nein habe ich nicht. Die sind geschminkt.
4Vorletzte Chemo war ich so unmotiviert, dass ich mir extraböse Balken hingepinselt habe. Damit ich im Spital so richtig finster gucken konnte.
Meistens muss ich sowieso aufpassen, dass ich nicht als Mr. Spock das Haus verlasse. Oder vor lauter Gehetze die rechte Augenbraue ein Stockwerk zu tief hängt. Also so fix bin ich mit den Augenbrauen noch nicht. Leider seh ich ja ohne Kontaktlinsen auch nix und klebe quasi am Spiegel, wenn ich versuche mir die Braue ins Gesicht zu platzieren. Nicht einfach.

5Ich hatte den Kurs look good – feel better besucht. Und dort einige Tipps bekommen. Unter anderem auch den mit dem Brauenpulver mit Schablone aus dem Perückenladen. Das würde eigentlich schnell gehen, hätte ich die richtige Höhe, Neigung jeweils auf Anhieb.
Die Augenbrauen machen enorm
viel aus. Sie sind wie ein Rahmen für die Augen und das Gesicht. Aber auch Augenringe abdecken und Kajal als Wimpernersatz. Rouge, wenn ich grad keine roten Chemobäckchen habe und zuerst natürlich die Grundierung.

Ich fühle mich einfach viel besser, wenn ich wenigstes nicht noch krank aussehe. (Kranksein reicht ja.)
Was mir auch öfter bestätigt wird. Meine Antwort lautet dann jeweils: Ein Hoch auf die Kosmetikindustrie!

Kürzlich war ich mit einer Freundin Mittag essen. Ich zeigte ihr dann ein Selfie von mir, ungeschminkt.
Ihre Gesichtszüge verrutschten arg. Sie sah ehrlich geschockt aus: So würde ich dich nie erkennen!!
Macht nichts.
Ich erkenne das haarlose Alien ja auch kaum morgens im Spiegel, bevor ich mir mein Gesicht aufgemalt habe. 🤷‍♀️

Punkt, Punkt, Komma, Strich.

Brustkrebs: Ein Angriff auf die Weiblichkeit?

Der Beitrag war schon lange fällig. Und er wird jetzt nach der Trennung echt etwas schwieriger zu schreiben.
Weil sich das ja als Erklärung durchaus auch anbieten würde. Krank = unattraktiv. Keine Haare = unweiblich. Und zack: alleine.

Ich verstehe den Gedanken, dass die Krankheit die Weiblichkeit angreift, aber ich bin nicht ganz einverstanden. Klar, die Haare, die Brüste. Aber Weiblichkeit hat für mich mit viel mehr zu tun, als mit Kurven und Haaren. Es gibt kurvige Frauen mit langem Haar, die ich nicht als besonders weiblich wahrnehme.
Und es gibt kurzhaarige Frauen ohne ausladende Kurven, die sehr weiblich sind.
Für mich gehört zur Weiblichkeit immer auch die Sinnlichkeit dazu. Und die Sinnlichkeit hängt nicht an langen Haaren oder am Busen. Die Sinnlichkeit liegt in der Art, wie jemand schaut, sich bewegt, in der Lebensfreude, der Wachheit, Neugier und der Art, wie die Person ihre Sinne einsetzt und geniesst.
Bedingt ist die Krankheit auch darauf ein Angriff. Die letzte Woche ging es mir derart besch…., dass ich mir kurz überlegte, die Axt und den Holzpflock vor meinem Haus zu benutzen und mich in eine Amazone zu verwandeln, damit der Scheisskrebs endlich wenig ist. Wäre wohl noch schwierig geworden, sich selbst die Brust abzuhacken.
Da hatte sie mich niedergeknüppelt, die Krankheit. Meine Energie, Neugier, Lebensfreude, alles weg.
Insofern ist jede Krankheit ein Angriff auf die Weiblichkeit, weil Lebenslust und Sinnlichkeit. So auch eine Magen-Darm-Grippe. Auch nicht so sexy. Nur viel kürzer, die geht schneller weg. Sonst wäre man ja dehydriert wie Dörrobst.
Seltsamerweise trauere ich meinem Haar nur bedingt nach (abgesehen von den Augenbrauen). Und eine Mastektomie steht glücklicherweise nicht zur Diskussion. Sonst würde dieser Text wohl ganz anders aussehen.

Was mich an der Aussage Brustkrebs ist ein Angriff auf die Weiblichkeit wohl am Meisten stört, dass ich Weiblichkeit, Attraktivität, Frau sein nicht nur auf Brüste und Haare reduziert haben will.

Gespräche: Haarwurzel-Reset

Ich: Gucken sie mal. Ich hab zweifarbige Fingernägel und jetzt bekomme ich einen blonden Babyflaum. Ich nehme mir das Tuch vom Kopf. Kommt da noch mehr komisches?
Onkologe beugt sich vor, inspiziert mein Skalp: Och jaaa.
Ich: Wann kommen den die richtigen Haare? Also der Babyflaum fällt aus, oder?
Onkologe lehnt sich zurück und verschränkt die Arme über der Brust: Was hatten sie denn für Haare als Kind?
Ich: Na, blond. Ja also genau so weissblond.
Onkologe: Eben! Das ist wie ein Reset. Die Haarwurzel startet neu. Manche sind wieder blond oder haben Locken. Aber das hält dann nicht.
Ich: Sie meinen, die Haarwurzel beginnt freudig von vorne. Dann merkt sie, ach nö, die ist ja schon ü40. Handbremse, Gangschaltung, wir müssen ja dunkler und grau?
Er mit Zeigefinger: Genau!

Schön kommen sie wieder. Erst war es ja nur ein blonder Büschel über dem linken Ohr, den ich mir abrasiert hatte, um nicht wie ein Weissbüschelaffe auszusehen. Aber jetzt kann ich sie stehen lassen.
Unter der Achsel meldet sich auch schon ein äh, eher eine waagrechte Haarantenne. 🤨

Der haarlose Sommer neigt sich dem Ende zu.