Nebenwirkung: Unknown Identity

Meine Fingerabdrücke sind weg!
Meine Haare sowieso, die Augenbrauen verabschieden sich auch noch verspätet…

Also liebe Verbrecher, wenn ihr wenig (DNA)Spuren hinterlassen wollt, braucht ihr keine Sturmhaube und müsst ihr eure Fingerkuppen nicht mit einem Messer abschaben, wie im Film Seven.
Geht einfach auf die Onkologie und pfeifft euch über Wochen die richtige Chemo rein!

PS: Zweifarbige Fingernägel gibts gratis dazu.

On my Board: Bald but Beautiful 👩‍🦲🛹✌🏻

Skatelesson im Park.
Ok.
Mini-mini-mini-Skatelesson.
Aber immerhin.

Die Physiotherapiehalbstunde ist ausgefallen, also spontan Koordination und Gleichgewicht im Park trainiert.
Und das geht im Moment nicht alleine. Meine Kondition ist übel, meine Angst zu stürzen gross. Nach 5 Kickturns muss ich mich ausruhen. 🙈
Aber he! Ich war im Park!!!! 💪🏻💪🏻💪🏻
Ansonsten ist es im Moment nur viel zu heiss für alles.
Mit meinem tiefen Blutdruck ist mir schon in gesundem Zustand alles über 25° Grad zu heiss. Und jetzt?
🥵🥵🥵
Glücklicherweise ist mein Haus über 100 Jahre alt = dicke Mauern und schön kühl.

Heute gehts zur 3. Chemo der 2. Phase. Das wäre dann schon 1/4 geschafft.

Und vom Knoten kann ich bereits nicht mehr viel tasten…. 🤔
Kann das sein?
Können wir dann aufhören mit Chemo, bitte? 🙏🏻
Wohl kaum.
🤷‍♀️

PS: Lieber Herr Onkologe, Glatze trug ich natürlich nur fürs Foto. Ansonsten 👷‍♀️.
Versprochen! 🤞🏻

PPS: Diese Emojiflut ist hitzebedingt. Mein Hirn ist niedergegart. 🧠🔥

PPS: Auf in die Klinik. Jetzt!

PPPS: Nachtrag: Weicher ist der Tumor geworden und darum seine aktuelle Grösse schwer abzuschätzen, meint Herr Doktor.
Aber es geht was. 🦀💥🔫

Gespräche: Zombiefamilie

Kinderübergabe. Da ich zu Hause ja „oben ohne“ rumlaufe, steh ich ohne Kopfbedeckung vor dem Haus uns spreche mit dem Papa vom Kleinen und Grossen, als ein paar Kids mit dem Fahrrad vorbei fahren.

Ich: Oh nein! Jetzt verschreck ich noch die Kinder. So nur mit Glatze.
Kleiner: Hahaha, Mami das Glatzenmonster!
Der Grosse nimmt die Arme hoch, macht den Zombie und röchelt: Chhhghhhhrrrgghh
Der Kleine nimmt die Arme hoch: Chhhgghhrrchhhhhg
Ich: Chhhrrrghhhhchhhhgg

Papa schaut irritiert vom Kleinen zum Grossen zu mir.

Frau Glatzi geht was trinken

Ab letzten Freitag Abend war ich  für zwei Tage permanent und penetrant gutgelaunt, einfach weil ich froh war, aus dem Spital raus zu sein. Auch wenn ich total übermüdet war.
Erst eine Nacht schlaflos wegen Kopf- und Bauchschmerzen und dann die nächste  bis zwei Uhr früh im Notfall rumliegen. Um drei bat ich auf der Station um etwas zum Schlafen, um sieben sass ich schon im Waagerollstuhl. Aber der Rest des Tages bestand dann hauptsächlich aus dösen, zeichnen, lesen, Musik hören mit gelegentlichen Störungen.

Ich hatte Glück zwar, ich bekam ein Zimmer im dritten Stock und ein Bett direkt am offenen Fenster. Aber sonst ist es im Moment so abartig heiss, dass ich mich im Spital entschloss, endlich mal ohne Kopftuch – oben ohne – zu gehen. Ist ja eh Spital. Die müssen das ab können.
Also sass ich da mit Glatze. Bekam gefühlte 573 Komplimente für meine Kopfform. Seltsam, früher waren es Komplimente für meine dicke Haarpracht. Und ich fand immer meinen Kopf zu schmal und die Stirn zu hoch. Aber da die Stirn jetzt ja eh rundherum geht, kommts wohl nicht drauf an.

Ich wollte raus an dem Abend als ich entlassen wurde, etwas trinken gehen. Ich weiss nicht, ob das sinnvoll ist, aber ich musste den Spitalgroove wegkriegen. Ich schminkte mich – schön anwenden, was ich beim Schminkkurs für Krebskranke (sehr zu empfehlen!) gelernt hatte. Dann:
schwarzesTanktop, hellbeige Dickies, Silberarmspange, Silberring und grosse Silbercreolen im Ohr. Glatze als Mode-Statement.

Ich fuhr ultravorsichtig Rad. Weil, nochmals in den Notfall einen Abend später und erklären, dass man vom Rad gekippt ist, wäre voll unsexy.

Das beste Gingerale in der Stadt und der Barkeeper der aus tiefsten Herzen ruft: „Alle Haare weg? Voll geil!“
Das war die beste Reaktion ever. Wenn die erste Assoziation nicht „Oh Schreck“, sondern „voll geil“ ist.

Natürlich war ich det Hingucker als einzige Frau Glatzi. Die Blicke voll Neugier, weniger Zweifel, ob das jetzt krank oder Style ist.
Vor allem erstaunt haben mich die vielen bewundernden Blicke. Vor allem von Frauen.
Wofür?

Liste der Topreaktionen

Hallo 🙋‍♀️ mich gibts noch.

Tatsächlich durfte ich nach einem Tag nach Hause. Das Fieber war weg, Infekt unauffindbar, Blutwerte stabil.

Eigentlich wollte ich eine Liste mit den schlimmsten Reaktionen darauf schreiben, dass ich Krebs habe.

Während des Schreibens erschien mir das plötzlich etwas unfair. Denn je nach Gegenüber macht mir sogar die Aufzählung der Krebstoten in der Familie nichts aus.

Ausserdem wurde ich gefragt, was denn die Wunschreaktion wäre. Und auch hier: Der Ton macht die Musik.

Die skurrilste Begegnung war heute eine Kollegin, die nach der Begrüssung und einem Blick auf meine Kopfbedeckung, hastig einen Smalltalksatz stammelnd, sich rückwärts von mir weg bewegte und fluchtartig davon radelte.

Ungebetene Tipps sind immer übel (siehe Tipps ungebeten: gratis und franko).

Und vor ein paar Tagen bekam ich als Reaktion zu hören: Und du machst jetzt brav alles was die Ärzte sagen?

Da wär ich auch gern einfach davon geradelt.

Da muss was auf den Kopf: Pipi-Pirat in Town

Ja die Perücke kommt selten zum Einsatz. Bei 25° Grad fühlt sie sich auch wie eine Wollmütze an. Ich setze meine Wollmütze auf und spiele gesund. Das geht nicht.
Aber auch das Chemo-Tuch, dass ich mir gekauft hatte, fühlte sich fremd an. Also suchte ich nach Alternativen.

Ideen geholt habe ich mir hier: https://bit.ly/2IUfamV

Im Stoffladen habe ich mich mit Viskose und Jersey eingedeckt. Und Klunker hab ich auch noch besorgt.
img_3427-1Zuerst habe ich die Viskose-Kopftücher mit den Bördchen gemacht. Aber die trage ich kaum noch. Dann habe ich eigentlich nur noch Schläuche genäht. Wie die, die man im Winter beim Snowboarden trägt oder beim Motorradfahren.
Und ich bin KEIN Nähgenie. Meine Nähvorhaben brauchen eine grosse Fehlertoleranz. Und es muss alles sehr schnell gehen, sonst fange ich gar nicht erst an. Also kurz: wenn ich das kann, können das alle.

Die längeren Schläuche kann man in der Mitte mit einem Haargummi zusammennehmen und dann die eine Hälfte überstülpen, so gibt es ein Beanie. Wie ich es beim hellblauen Tuch gemacht habe. Man kann sie einfach doppelt nehmen oder nur einfach (Sterntuch).

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Gute Seiten der Chemo

Und nach dem deprimierenden letzten Beitrag noch was Positives.
Und nein, ich spreche nicht von der Krankheit als Chance zur Neu(er)findung seiner selbst. Und wer das mir gegenüber erwähnen würde, riskierte einen Schuh am Kopf, hätte ich denn die Energie…
Die Oberhoheit einen Schicksalsschlag (meist nachträglich) als Chance zu deuten, liegt allein bei der betroffenen Person selbst!

Ich spreche hier von ganz profanen Vorteilen.

Ein Sommer mit Chemo: Ganz entspannt haarlos – ohne Rasur, Gezupfe und Crèmes.

Und: No more bad hair days! 👩‍🦲😁