Ich fing in zwei Klassen an. Erst als Assistenz, dann mit eigenen Lektionen. Und ich freute mich wieder auf die Arbeit und hatte nachher sogar mehr Energie als vorher. Erstaunlich schnell war ich auf einer höheren Präsenzzeit als an meiner alten Schule.
Die Klassen hätten unterschiedlicher nicht sein können. Die eine arbeitet selbständig und ruhig, die andere ist mehr so: New York. If you can make it there… Bekannterweise die schlimmste Klasse im Schulhaus. Kennt ihr den Film Fack ju Göhte?
Also wenn mir nach 3h nicht der Tinitus Hallo sagt, kann ich in einer normalen Klasse locker einen ganzen morgen unterrichten. Sie sind nicht böse, nur nicht domestiziert. Und das Niveau hat eine enorme Spanne! Als einer in der ersten Stunde quer über alle Bänke gespurtet ist und ich dann sagte: Oh, da meldet sich wer freiwillig zum Schnippsel vom Boden aufheben! Da hat er es brav gemacht.
Ich muss einfach alle meine Register ziehen:
- stark lehrerzentriert, damit mal etwas Ruhe ist
- arbeiten lassen, damit die Guten nicht rumblöken
- Bewegungspausen damit die ADHSler nicht vom Stuhl fallen
- Mal Schreien, weil sonst nix nützt
- Mal lachen, weil ich es sons nicht überlebe
Und ich habe eine Wette mit der Klasse am laufen. Wenn sie es schaffen 10min ruhig zu arbeiten, kriegen sie ein Znüni (was zu Essen für die grosse Pause). Den ersten Versuch stoppte ich nach 40 Sekunden. Den zweiten nach 1’ 30’’. Inzwischen sind sie bei knapp fünf Minuten. Ich habe mir die Erlaubnis eingeholt, sie aus dem Unterricht zu werfen und werde beschultertätscht und aufgemuntert von Assistenzen und Heilpädagogen.
Als nicht mal Stellvertretung habe natürlich eine Scheissposition. Und ich bin definitiv Klassen- und nicht Fachlehrer. Ich domestiziere gerne und gut und als Fachlehrer ist man aufgeschmissen, wenn diese Arbeit in Sozial- und Selbstkompetenz nicht gemacht wird. Dann kommt es eben so raus.
Sie sind es sich nicht gewohnt, nicht reinzurufen. Haben weder Ordner oder Mäppchen für ihre Blätter, kein Hausaufgabenbüchlein, keine Klassenregeln. Vielleicht nicht mehr? Und das Klassenzimmer ist aufgeteilt. Linke Hälfte, die Hoffnungslosen, vom Klassenlehrer aufgegebenen und rechts die, um die es sich zu kümmern lohnt. Gut bin ich eher so mittigunterrichtend… 😉
Das Team ist aber toll, meine Assistenz bedankt sich sogar nach jeder Lektion für den spannenden Unterricht und ich fahre 10 mit dem Rad zur Arbeit. Aber sauanstrengend ist es schon!
Mein (noch) Arbeitgeber wollte mich ja zur Kündigung motivieren. Und da mein Krankentaggeld eh auslief, erklärte ich mich bereit für ein Gespräch mit dem Oberchef. Die Schulpflege (Aufsichtsorgan) war auch dabei. Den Chef wollte ich nicht sehen. Und ich habe ALLES haarklein geschildert, wie meine “Integration” so ablief. Die Schulpflege hatte nachher wohl 5 Seiten Notizen.
Conclusio: Es wird nun eine Integrations-Leitlinie erarbeitet. Wie immer ein Papier mehr, anstatt bei den Leuten die ihren Job nicht machen, anzuklopfen. Sie dürfen das dann gern Tinkakartinka-Leitlinie nennen! 😏
Ende März erhielt ich überraschend eine Nachricht von einer Lehrer-Freundin. Im Dezember hatte ich ihr gegenüber erwähnt, dass ich im Sommer wohl einen Job brauchen werde: Es werde eine Stelle frei in ihrem Schulhaus. Eine neue Klasse. Meine Wunschfächer. Ich bedankte mich und fragte nach den Kontaktdaten vom Neuchef. Sie antwortete: Er erwartet deinen Anruf.
Es wurde auch eine Klassenlehrerstelle frei im Schulhaus, wo ich jetzt meine Integration mache. Die Lehrerin der ruhigen Klasse wies mich darauf hin. Doch als am 3-Wochengespräch der Schulleiter fragte, was ich denn ab Sommer mache und ich lachend antwortete: arbeitslos sein. Schaltete sich mein CaseManagement ein: Wir dachten, am besten keine Klassenlehrposition und nicht zu viele Stunden, wegen der Belastung. Das dachte wir im Dezember, als ich noch an der alten Schule war. Vor 3 Monaten!!! Und ich hatte der guten Frau noch gesagt, dass ich die freie Stelle ansprechen wollte, sie wusste das!! Hätte ich nicht schon einen Vorstellungstermin an der anderen Schule gehabt, wäre ich ihr sowas über den Mund gefahren!
Das Vorstellungsgespräch lieft gut. Aber ich musste irgendwie was zu meiner Situation sagen, ohne mich gleich ins Aus zu befördern…. Ich fragte den Neuchef, ob er mich gegoogelt habe. Er reagierte ausweichend – nachher hat er es bestimmt gemacht! Mit meinem Namen stösst man nämlich sehr schnell auf das Krebstheater, mit dem ich ab Nov wieder auftrete. Dann erwähnte ich, dass ich noch in der Integration sei und gerne mit weniger Stunden beginnen würde. Er meinte, das sei kein Problem und bedankte sich für das Vertrauen.
Ich hatte ein extrem gutes Gefühl: vom Schulhaus, vom Neuchef und davon, dass beim Vorstellungsgespräch noch jemand vom Team dabei war und nicht ein “Würdenträger.” Durch die Blume liess er verlauten, dass ich bis jetzt seine Favoritin sei. Aber er hatte mich ja noch nicht gegoogelt…. Zwei Tage später wollte er mir Bescheid geben.
Schöner Beitrag, der sich gut lesen ließ 😊
Ich hoffe doch, er endet damit, was sich gewünscht wird? 🤔
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Es bleibt spannend, scheint es. 😟
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